Ueda Sôko

Ueda Sôko, 1563-1650, hat in seiner Jugend dem Lehensfürsten (daimyô) Niwa Nagahide (1535 – 1585) als Page gedient und sich unter dessen Anleitung in der für jeden sozialen Aufstieg unerlässlichen Etikette der Samurai ausgebildet. Nach Nagahides Tod wurde er in die Dienste des damals mächtigsten Mannes Japans, des Feldherrn und Reichseinigers Toyotomi Hideyoshi (1536-1598) berufen, der ihn zu wichtigen Aufgaben wie dem Bau des Schlosses von Ôsaka oder dem Wiederaufbau der in den bürgerkriegsähnlichen Wirren des 16. Jahrhunderts niedergebrannten Halle des „Großen Buddha“ im Tôdaiji-Kloster von Nara mit herangezogen hat. Vor allem für seine militärischen Verdienste bei Hideyoshis Feldzügen in Kyûshû, Odawara und Korea wurde Ueda Sôko 1594 von seinem Dienstherrn mit dem Titel eines Hofrates und einer hochrangigen Beamtenstelle in dem Gebiet des heutigen Ôsaka belohnt.

Schon zuvor, kaum in die Dienste Hideyoshis eingetreten, hat er begonnen, in persönlichem Kontakt zu Sen no Rikyû, dem bis heute einflussreichsten Teemeister, sich auf dem Teeweg (chadô) zu schulen. Bis zu Rikyûs von Hideyoshi befohlenem rituellen Selbstmord im Jahre 1591 hat er so neben hochgestellten Männern wie den daimyô Furuta Oribe und Hosokawa Sansai zum Schülerkreis um Sen no Rikyû gehört.

 

In der Folgezeit hat Ueda Sôko sich dem 19 Jahre älteren Furuta Oribe angeschlossen, der alsbald zum tonangebenden Teemeister der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert aufsteigen sollte. Die besondere Tradition des bukecha, des „Teeweges der Samurai“, hat Ueda Sôko zusammen mit Oribe begründet und schließlich seine eigene Tradition, die Ueda Sôko Ryû, entwickelt.

 

Parallel dazu hat auch Ueda Sôko eine Zen-Ausbildung absolviert, und zwar in einem Untertempel des Daitokuji-Klosters in Kyôto, dem Sangen-in, wo er unter der Leitung des 111. Daitokuji-Abtes, Shunoku Sôen (1529 – 1611), Za-zen praktiziert hat – desselben Shunoku Sôen, der auch der Zen-Lehrer Furuta Oribes gewesen ist.

 

Als nach dem Tode Hideyoshis im Jahre 1598 die Nachfolge-Kämpfe einsetzten, fand sich Ueda Sôko nach der entscheidenden Schlacht bei Sekigahara (15. 9. 1600) zum ersten Mal auf der falschen Seite, der der Verlierer wieder, und hatte damit die Gunst des Tokugawa Ieyasu, der mit diesem Sieg den Grundstein für das Tokugawa-Shôgunat legte, zunächst einmal verspielt. Er fand allerdings Zuflucht auf der vom Sitz der Shôgunats-Regierung weit entfernten Insel Shikoku, als Gast des Hachisuka Iemasa, der als daimyô über das Gebiet der heutigen Präfektur Tokushima herrschte.

 

Dort war er eine Zeitlang nicht nur als Teemeister, sondern auch als Gartenarchitekt und Erbauer von Teepavillons tätig: Nach seinen Entwürfen ist einst auch der Shukkeien in Hiroshima, nach der Zerstörung durch die Atombombe originalgetreu wiederhergestellt, angelegt worden. Andere Gärten, der Senshukaku-Garten in Tokushima, der Garten des Kokawa-Tempels in Wakayama und der Ninomura-Garten in Nagoya, allesamt Schöpfungen des Ueda Sôko, gelten heute als nationale Sehenswürdigkeiten.

Nach dreijähriger Tätigkeit in Tokushima übersiedelte Sôko, der Bitte des Daimyô Asano Yoshinaga folgend, auf die Insel Honshû in das Gebiet der heutigen Präfektur Wakayama, wo er ein kleines Lehen erhielt. Als der Shôgun Tokugawa Ieyasu seinen Bann gegen die Toyotomi-Anhänger schließlich aufhob, folgte Sôko seinem Dienstherrn Asano Nagaakira 1619 in das Gebiet der heutigen Präfektur Hiroshima, wo er ein größeres Lehen samt Teemeistergehalt erhielt und mit Verwaltungsaufgaben betraut wurde.

 

Über viele Generationen hinweg waren die jeweiligen Oberhäupter der Samurai-Familie Ueda für den Asano-Clan als Verwaltungsbeamte tätig, über die Zeit der Meiji-Restauration mit ihrer Abschaffung des Samurai-Standes hinaus, bis zur Kapitulation Japans am Ende des 2. Weltkriegs. Seither hat sich das Haus Ueda mit seiner spezifischen Ausrichtung des Teewegs, der Ueda Sôko Ryû, der breiten Öffentlichkeit geöffnet. Heute wird das Haus Ueda und mit ihm der Stil der Ueda Sôko Ryû in der 16. Generation von Ueda Sôkei vertreten, der besonderes Gewicht darauf legt, den Teeweg des bukecha so weit wie möglich wieder der Praxis des Schulgründers anzunähern.


Sôkos Kalligraphie

門無俗士駕

(jap.: mon ni zokushi no ga nashi)

 

„In diesem Hause sind weltlich gesinnte Menschen nicht willkommen“

 

Man muss ehrlich zugeben, dass diese berühmte Kalligraphie des Schulgründers Ueda Sôko (nicht nur für Teemenschen) ziemlich abweisend klingt. Sollte ein Gastgeber denn nicht alle seine Gäste auf das Herzlichste willkommen heißen? Die Frage, die sich aufdrängt ist daher, was Sôko mit einem so ablehnend klingenden Satz hat ausdrücken wollen.

Viele der im Teeweg verwendeten Kalligraphien entstammen der chinesischen Zen-Literatur oder chinesischen Lyrik. Dabei wird oft nur eine Zeile eines Gedichts verwendet. Das, was weggelassen wird, ist jedoch nicht vergessen, sondern als unausgesprochener Hintergrundtext noch vorhanden. Im Falle dieser Kalligraphie ist es durchaus lohnend, sich diesen Hintergrundtext einmal anzuschauen:

 

Die fünf Schriftzeichen entstammen nämlich einem Gedicht des großen chinesischen Tang-Dichters Meng Haoran (孟浩然, 689 - 740):

 

与 君 園 廬 并 , 微 尚 頗 亦 同

耕 釣 方 自 逸 , 壺 觴 趣 不 空

門 無 俗 士 駕 , 人 有 上 皇 風

何 必 先 賢 傳 , 惟 稱 龐 德 公

 

„Für den Edlen zählen Park und Strohhütte gleich,

Auch Geringes und Hochgeschätztes weisen nicht auseinander.

Vom Pflügen und Angeln zurückgezogen zur Muße,

Ist hohles Vergnügen an Frauen und Wein ihm fremd.

Vorm Tor warten keine Wagen weltlich gesinnter Menschen

Ein solcher Mensch hat über sich nur den Wind zum Herrn.

Warum sich für ihn auf vergangene Weise berufen?

Muss man ihn doch adlig nennen wegen großer Tugend.“

 

(Übersetzung: Dietrich Roloff; die Übersetzung der entsprechenden fünf Zeichen orientiert sich hier möglichst genau am chinesischen Wortlaut).

 

Es ist anzunehmen, dass Ueda Sôko mit der Tang-zeitlichen Dichtung gut vertraut war, zumal Meng Haorans Werke einen großen Einfluss auf die japanische Lyrik und den japanischen Zen-Buddhismus hatten. Dieser eine Vers unter den vielen unzähligen Gedichten und der nicht minder umfänglichen Zen-Literatur schien Sôko besonders geeignet, sein Verständnis auszudrücken.

 

Die Suche nach einem poetischen Satz, der das eigene Verständnis ausdrückt, kennt man auch aus der Praxis des Rinzai-Zen. Dort stehen dem Übenden vor allem das zenrin kushu (禅林句集), Sammlung von Zen-Sprüchen) zur Verfügung. Nun war Sôko zwar kein Zen-Mönch, er hatte sich aber unter Shunoku Sôen (1529 – 1611), dem 111. Abt des Sangen-in (eines Untertempels des Daitokuji) im Zen geschult und von ihm den buddhistischen Namen Chikuin (竹隠) erhalten. In den bürgerkriegähnlichen Wirren der Sengoku-Ära strebte er nach einem klaren und ruhigen Geist, der durch den kraftvollen, an eine Zen-Kalligraphie (bokuseki) erinnernden Pinselstrich, in sein Werk hineingeflossen ist. Das chinesische Gedicht zeichnet das Ideal eines Menschen, der sich von den gewöhnlichen Bindungen an die Welt befreit hat, wie Sôko sich auch selbst gesehen haben mag.

 

Wir können Sôkos Kalligraphie daher auch als den Wunsch verstehen, nachfolgenden Generationen die Essenz des Ueda Teeweges und den Wert der Praxis zu verdeutlichen. Dabei kann man diese Schriftzeichen auch in einem weniger abweisenden Sinne interpretieren:

 

„Ein Mensch, der nicht beständig in der Übung dieses Weges steht, wird (gar nicht erst) als Gast vor meinem Tor erscheinen.“